Auf ins antike Griechenland! Mit Assassin’s Creed: Odyssey soll sich endgültig zeigen, ob Ubisoft nach dem Vorgänger Origins nun die gewohnte Formel wirklich hinter sich gelassen hat, oder ob die Serie wieder in bekannte Muster zurückfällt.
Der neue Serienteil, diesmal wieder entwickelt von Ubisoft Quebec, ist sehr viel Open-World RPG, aber leider etwas zu wenig Assassine. Das folgende Review soll euch zeigen, weshalb wir so empfinden.
Das ist Sparta!
Assassin’s Creed: Odyssey beginnt ähnlich wie viele der aktuellen klassischen Rollenspiele und zeigt dies auch im weiteren Verlauf des Spieles. Wir wählen zu Beginn über den Animus entweder den männlichen Alexios oder die weibliche Kassandra und schlüpfen damit in die Rolle eines spartanischen Söldners oder einer Söldnerin zur Zeit des Peloponnesischen Krieges. Dieser knapp dreißigjährige Krieg des antiken Griechenland fand um 400 v.Chr. zwischen Athen und Sparta statt und wird uns durch die ganze Handlung mitbegleiten.
Wie auch in vorherigen Spielen der Serie spielt der Animus wieder eine eher schlechte als rechte Rolle zur Erklärung, weshalb wir eigentlich in die Vergangenheit zurückreisen. In den Gegenwarts-Sequenzen übernehmen wir wie schon in Assassin’s Creed: Origins die Rolle von Layla Hassan, einer ehemaligen Mitarbeiterin von Abstergo Industries die zu den Assassinen übergelaufen ist. Ãœber den Fund des Buches von Herodotus stößt sie auf ein weiteres Isu-Artefakt, nämlich den Speer des spartanischen Königs Leonidas, der wiederum ein Vorfahre unseres Alter-Ego Alexios respektive Kassandra ist.
Nach wie vor können wir die gesamte Gegenwarts-Story um den Animus links liegen lassen, da sie nicht wirklich relevant ist und auch nur sehr halbherzig zum historischen Part zu passen scheint. Daher werden wir auf diesen Handlungsstrang in diesem Review auch nicht genauer eingehen. Ganz zu Beginn schlägt uns der Animus jedoch noch zwei wichtige Auswahlmöglichkeiten vor: welchen der vier Schwierigkeitsgrade wollen wir wählen? Und fast noch wichtiger: wollen wir im geführten oder im Erschforschungs-Modus die Spielwelt bereisen? Der geführte Modus zeigt uns stehts alle Symbole und Questmarker automatisch an, der Erforschungs-Modus überlässt uns die Erkundung und Aufklärung der Orte selbst. So fühlt sich die Erforschung weniger nach dem Abklappern von Symbolen auf der Karte, als viel mehr nach einer richtigen Reise an.
Das antike Griechenland
Der neue Serienteil der langjährigen Spielereihe trägt seinen Namen völlig zu Recht. Denn wir unternehmen mit dem von uns gewählten Söldner tatsächlich eine Odyssee ganz im Sinne von Homers Odysseus. Diese Odyssee führt uns vom Startgebiet Kephallenia (heute Kefalonia) über das gesamte antike Griechenland inklusive des Peloponnes, Teile Makedoniens und haufenweise griechischer Inseln, unter anderem auch Kreta.
Dabei mausern wir uns im Laufe der Handlung vom einfachen Söldner zu einem richtigen Helden, ähnlich wie in einem der vielen Epen der griechischen Antike. Die Spielwelt ist riesig und an jeder Ecke gibt es Nebenaufgaben, Gegner, Ortschaften, Höhlen oder auch nur nette Anekdoten die eine kleine Geschichte für sich erzählen. Ein großer Minuspunkt dabei ist allerdings, dass uns diese ganzen „Nebensächlichkeiten“ sehr stark ablenken können und die Hauptgeschichte so leider oft im Sande zu verlaufen droht.
Assassin’s Creed: Odyssey schickt sich nämlich an, ähnlich dem Vorgänger Origins ein vollwertiges Rollenspiel zu sein und nicht mehr der altbekannten Ubisoft-Formel zu folgen. Zum Teil schafft es das, zum Teil aber leider auch nicht. Eine große Neuerung im Vergleich zu vorherigen Serienteilen ist unter anderem die Möglichkeit zur Wahl verschiedener Pfade in Dialogen, frei nach dem Motto friedlich oder gewalttätig. Diese Entscheidungen wirken sich auch spürbar aus und ermöglichen so verschiedene Enden der Handlung, aber sie bedienen auch unseren Ruf in der Spielwelt. Haben wir einen schlechten Ruf so machen wir uns Feinde und werden von Söldnern verfolgt. Diese verfolgen uns und stellen häufig eine ordentliche Herausforderung dar, kopfloses Angreifen ist hier nur in den seltensten Fällen eine Lösung.
Wie auch in Origins gibt es wieder ein Stufensystem nach klassischen RPG-Vorbildern mit einer großen Auswahl an aktiven und passiven Fähigkeiten, die sich in Bogenschießen, Nahkampf und Meucheln unterteilen lassen. Außerdem finden wir überall in der Spielwelt massenhaft Ausrüstungsgegenstände, die sich selbst von einer Stufe zur nächsten bereits deutlich unterscheiden und so eine Itemsuchtspirale erzeugen können.
Das Dark Souls der Assassin’s Creed Reihe?
Kämpfe sind in Assassin’s Creed: Odyssey sehr taktisch und anspruchsvoll geworden. Sie erfordern genaues Abschätzen von Gegnern und vorheriges aufklären der Lage mit unserem Adler Ikaros. Mit diesem wechseln wir in die Vogelperspektive und erforschen Gebiete nach Gegnern, aber auch nach Schätzen und gewissen Orten. Außerdem decken wir im Erforschungs-Modus auf diese Weise unsere Quest-Ziele auf. Das System des aufklärenden Begleit-Tieres gibt es bereits seit dem Vorgänger und gefällt uns auch in Odyssey wieder sehr gut.
Sobald wir die Lage vor einem Kampf analysiert haben, können wir entscheiden ob wir einfach brutal anstürmen, die Gegner mit dem Bogen beharken oder ob wir uns durch hohes Gras und Gebüsch anschleichen und einen nach dem anderen unauffällig meucheln wollen. Leider kommt hierbei aber das klassische Assassinengefühl zu kurz, da Meuchelangriffe aus dem Hinterhalt bei höheren Schwierigkeitsgraden als „Normal“ meistens nicht sofort tödlich sind und somit die anderen Gegner in der Umgebung alarmiert werden. Bosskämpfe hingegen fordern taktisches Geschick und verlangen uns einiges ab – sie ließen bei uns ein kleines Dark-Souls-Feeling aufkommen.
Um den Peloponnesischen Krieg stärker zu beleuchten können wir uns in See- und Landschlachten zwischen Athen und Sparta einmischen. Diese laufen allerdings meistens sehr ähnlich ab und verkommen mit der Zeit zu einer Fleißaufgabe, die schnell ermüdend wirkt. Die Seeschlachten, die das Spiel vom älteren Serienteil Black Flag erbt, sind aber auch in Odyssey wieder eine abwechslungsreiche Beschäftigung, wenn auch vielleicht nur einige Male.
Durch das Stufensystem stellt sich nun natürlich die Frage wie sich dieses auf die Kämpfe auswirkt. In Assassin’s Creed Odyssey skalieren die Gegner mit unserer Stufe mit. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass wir nie das Gefühl haben übermächtig zu sein. Das ist selbstverständlich subjektiv und kann von Spieler zu Spieler sowohl positiv als auch negativ eingeschätzt werden. Wir jedoch finden, dass mitskalierende Gegner in gewisser Weise ein Motivations-Killer sind, verstehen aber, dass diese zum allgemeinen Balancing beitragen.
Gigantischer Umfang
Langweilig wird in diesem antiken Griechenland gewiss Niemandem. Es gibt an allen Ecken und Enden etwas zu tun, zu finden oder zu sehen. Die Quests sind recht abgewechslungsreich gestaltet und in einer Fülle vorhanden, die für viele zig-dutzend Stunden Spielzeit sorgen. Klassische Sammel-Quests lassen sich leider nicht vermeiden, halten sich aber dennoch halbwegs in Grenzen.
Man kann aufgrund dieses Umfangs jedoch auch sehr leicht den Überblick verlieren. Auch scheint die Spielwelt etwas überladen. Etwas weniger wäre vielleicht mehr gewesen. Alles in allem ist ein solcher Umfang aber für heutigen Open-Worldspiele wohl ein wichtiges Maß und muss Ubisoft Quebec durchaus auch angerechnet werden. Ob man das gut oder schlecht findet, bleibt jedem selbst überlassen.
Und technisch?
Technisch gesehen befindet sich Odyssey in einem Zwiespalt. Die Landschaften und die Weitsicht sind beeindruckend, die Wetter- sowie Tag-/Nachtwechsel außerordentlich schön anzusehen und uns liegt im Allgemeinen eine glaubwürdige Spielwelt vor. Matschige Texturen und grobe ungelenke Gesichts- und Bewegungsanimationen stellen allerdings die Schattenseite dar.
Die deutschen Texte sind dagegen sehr gut eingesprochen und fallen durch deutlich erkennbare emotionale Höhen und Tiefen sowie Betonungen auf. Auch der Sound kann sich hören lassen – Kämpfe, Schlachtengetümmel oder beispielsweise wenn wir auf unserem Pferd unterwegs sind überzeugen durch eine kräftige, realistische Geräuschkulisse.