Anno 1800: Console Edition- eine gelungene Überfahrt

Quelle: Ubisoft

Das Aufbau-Strategiespiel Anno 1800 des Studiogiganten Ubisoft erfreut sich seit 2019 anhaltender Beliebtheit. Seither wurden 17 Updates veröffentlicht und nun bekommen endlich die Konsolen einen Port spendiert. Selbstverständlich gab es schon eigenständige Spiele für den Nintendo DS oder die Nintendo Wii, doch ein echtes Anno-Hauptspiel erblickte, abseits des Computers, nie das Licht der Welt. Ob sich ein derart komplexes Spiel auf eine durch den Controller gesteuerte Plattform umsetzen lässt, erfahrt ihr in unserem Review.

Die spannende Zeitepoche in Anno 1800

Anno 1800 des Entwicklerstudios Blue Byte Mainz, ist mit seinen 2,5 Millionen Spielern der bisher erfolgreichste Teil der Spielreihe. Deshalb verwundert es nicht, das sich der Publisher dazu entschlossen hat, einen Port für die aktuellen Konsolen (Xbox Series X/S und PlayStation 5) in Auftrag zu geben. Doch was genau macht diese Spielreihe so besonders? Zeitlich ist Anno 1800 im 19. Jahrhundert der industriellen Revolution angesiedelt. Wissenschaft und Technik machten zu der Zeit große Fortschritte und katapultierte die Menschheit in eine Phase der dauerhaften globalen Veränderung. Technologie, Ökonomie sowie die Gesellschaft selbst, vollendeten den Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft. Die Globalisierung, der Fortschritt und auch der exponentielle Anstieg der Weltbevölkerung waren ab diesem Zeitpunkt nicht mehr aufzuhalten.

Bevor wir ein neues Spiel beginnen, können wir uns zwischen einer Kampagne (Story mit Aufgaben) oder einem freien Spiel (benutzerdefinierten Einstellungen) entscheiden. Das Grundprinzip von Anno ist stets gleich geblieben und hat sich über die ganzen Jahre nicht verändert. Unser Ziel ist die Gründung eines Inselreiches und desen Ausbau. Dabei versuchen wir zu expandieren, Geschäfte mit anderen Inseln zu machen und unsere Bevölkerung auf die höchstmöglichen Zivilisationsstufe zu entwickeln. Dabei müssen wir die unterschiedlichsten Produktionsketten schaffen und die Bedürfnisse unserer Bewohner stillen. Die Schwierigkeit besteht darin, optimale Produktionswege und Wirtschaftskreisläufe aufzubauen, sowie den begrenzten Platz bestens auszunutzen. Einige Rohstoffe kommen nur auf anderen Inseln vor, weshalb wir Schiffenrouten organisieren müssen, um die Materialien zu den Produktionsstätten transportieren zu können. Überschüssige Produkte können wir über selbst erstellte Handelsrouten zu den anderen Kolonien bringen, um mehr Gold zu erwirtschaften. Zu Beginn einer Partie erscheint noch alles sehr einfach. Jedoch nimmt der Schwierigkeitsgrad mit der stetig steigenden Zivilisationsstufe zu. Dies kann dazu führen, dass wir uns im Spieverlauf leicht verzetteln können und langfristig Probleme bekommen.

Die offensichtlichste Änderung in Anno 1800 ist der Umgang mit den Arbeitskräften. Damit der gesellschaftliche Umbruch des 19. Jahrhunderts besser widergespiegelt werden kann, haben sich die Entwickler dazu entschieden, dass jede Bürgerschicht ihre eigene Arbeitskraft stellt. Diese arbeiten ausschließlich in den Gebäuden der jeweiligen Stufe. Diese neue integrierte Spielmechanik zwingt uns dazu, die Belegschaft auf allen Ebenen sorgfältig auszugleichen. Verbessern wir die Wohnhäuser zu schnell, wird uns die Arbeitskraft der unteren Bevölkerungsschicht ausgehen. Es werden zum Beispiel weniger Felder bestellt und es kümmert sich kaum noch jemand um die Tiere. Sind wir zu vorsichtig, wird die industrielle Revolution ausgebremst, da der Fachkräftemangel in den neuen Fabriken fehlt. Die Personalübersicht befindet sich in der Mitte der oberen Menüleiste, welche durchgehend zu sehen ist. Diese Leiste gibt uns eine detaillierte Übersicht über die verfügbaren Arbeitskräfte und wie viele in jeder Bürgerstufe erforderlich sind. Diese neue Mechanik war mir zu Beginn des ersten Kapitels der Kampagne nicht ganz bewusst, weshalb mir sehr schnell die Arbeitskräfte fehlten und alles ins Stocken geriet.

Quelle: Ubisoft

Kann ein komplexes Aufbauspiel wie Anno auf den Konsolen funktionieren?

Es freut mich so sehr einen echten Anno-Port auf den aktuellen Konsolen zu sehen. So kann auch die Community, abseits des PCs, in den Geschmack eines richtigen Aufbau-Strategie-Urgesteins kommen. Jedoch stellt sich mir eine wichtige Frage. Kann ein komplexes Aufbauspiel wie Anno überhaupt ohne Maus und Tastatur wirklich funktionieren? Jeder Konsolenport steht und fällt mit der Bedienung und dem User-Interface. Sind beide Aspekte lediglich Mittelmaß, könnte die Portierung auf dem Markt scheitern. Ich mache es kurz- die Bedienbarkeit ist den Entwicklern mehr als gelungen. Das erste was mir sofort auffällt, ist die angepasste Schriftgröße zur besseren Lesbarkeit auf dem TV. Sehr oft bieten portierte Spiele keine angepasste Schriftgröße, wodurch das erkennen der Texte auf größere Distanz unangenehm ist.

Gebaut wird in Anno 1800 auf dem Gamepad über zwei Kreismenüs. Der linke Trigger offnet das Toolsmenü, wo wir häufige Bauten, diverse Verschönerungen (Skins) oder beispielsweise den unverzichtbaren Abrissmodus finden. Der rechte Trigger wiederum öffnet das Baumenü. Im Kreis angeordnet sehen wir die Bauten der jeweiligen Bevölkerungsstufe. Die Gesellschaftsschichten wie zum Beispiel Bauern oder Arbeiter, können wir mithilfe der Tasten LB und RB wechseln. Wollen wir etwas errichten, bekommen wir zuerst eine Übersicht einer ganzen Warenkette präsentiert, in welcher wir die einzelnen Gebäude auswählen und dann platzieren dürfen. Mit der Y-Taste öffnen wir die wichtigen Management-Optionen. Dort bekommen wir nicht nur Einsicht in das Quest-Journal, sondern dürfen die Handelsrouten planen, die Zeitung nutzen, die Statistiken studieren, Information zur Insel entnehmen und vieles mehr. Auf der Übersichtskarte ist es uns möglich per Tastendruck zwischen den einzelnen Inseln zu springen, was uns einiges an Zeit erspart. Die Entwickler haben ein weiteres tolles Komfortfeature in Anno 1800 für die Konsolen eingebaut. Wir können mit einer einzigen Eingabe ganze Straßenzüge um einen Block ziehen, wodurch das manuelle und mühselige platzieren einer Straße entfällt. Solltet ihr zum Beispiel vergessen haben wie eine spezielle Produktionskette funktioniert, könnt ihr dies jederzeit in der neuen Annopedia nachlesen.

Die Konsolenversion ist aktuell auf dem Stand der PC-Release-Version aus dem Jahr 2019. Diverse Verbesserungen und Features sind zwar im Spiel integriert, jedoch nicht die ganzen DLCs. Ob diese nachgereicht werden steht zum Zeitpunkt des Tests noch nicht fest. Kosmetische DLC-Pakete sind gleich zur Veröffentlichung von Anno 1800 verfügbar, welche für mehr optische Abwechslung auf der Insel sorgen. Die Deluxe-Edition für knappe 50€ beinhaltet, zusätzlich zum Spiel, gleich drei kosmetische DLCs. Für 40€ bekommt ihr lediglich die Basisversion ohne zusätzliche Features.

Schöne Inseln mit solider Technik

Auf den ersten Blick wirkt die Spielwelt mit seinen schönen Inseln, stimmungsvoll und einladend. Doch wie sieht es mit der Technik hinter Anno 1800 auf der Xbox Series X aus? Die Auflösung und der Detailgrad sind solide, könnten jedoch für meinen Geschmack etwas höher sein. Dafür bin ich mit der Performance der Portierung zufrieden. Sehr schade finde ich die 30 Bilder pro Sekunde. 60 FPS hätte ich auf den aktuellen Konsolen schon irgendwie erwartet. Die Ladezeiten sind trotzt verbauter SSD etwas länger, was sich aber noch in Grenzen hält. Ein Highlight ist für mich der Soundtrack, welcher das ganze Gewusel der Bewohner wundervoll untermalt. Das Hauptaugenmerk bei der Portierung lag für die Entwickler bei der Steuerung. Denn jeder Konsolenport steht und fällt mit der Bedienung und dem User-Interface. Das hat auch Blue Byte Mainz erkannt und optimal umgesetzt. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase lässt sich Anno 1800 auch hervorragend mit dem Gamepad steuern. Dennoch finde ich die fehlende optionale Maus und Tastatur-Unterstützung sehr schade. Andere Strategiespiele haben schon gezeigt, dass dies sehr wohl möglich und vor allem komfortabel ist. Das User-Interface leistet mit der angepassten Schriftgröße einen weiteren Beitrag zur gelungenen Portierung. Die Crossplay-Funktion im Multiplayer ist zwischen den Plattformen leider nicht möglich.

Anno 1800: Console Edition- eine gelungene Überfahrt
Fazit
Blue Byte Mainz hat sich mit der Portierung von Anno 1800 die richtigen Ziele gesetzt und erreicht. Die Steuerung auf dem Gamepad, gepaart mit dem angepassten User-Interface, fühlt sich mehr als gelungen an. Die Vorteile überwiegen die wenigen Nachteile bei weitem, weshalb eine sehr gute Wertung vergeben wurde. Bleibt nur noch zu hoffen, dass sämtliche Erweiterungen der PC-Version irgendwann nachgereicht werden. Jeder der keinen PC besitzt und schon immer einmal Anno 1800 spielen wollte, sollte sich diese Aufbau-Strategie-Perle nicht entgehen lassen.
Technik
80
Umfang
70
Gameplay
94
Spezifisch
96
Leserwertung1 Bewertung
8
Besser
gute Kampagane
Endlos-Modus
technisch guter Multiplayer
einfache bis komplexe Produktionsketten
gute Balance zwischen Aufbau, Ausbau und Optimierung
tolle Neuerungen wie Arbeitskraft, Elektrizität oder Pendlerkais
Einflussnahme durch Zeitungen, Handelskammer, Items oder Attraktivität der Stadt
schöne einladende Spielwelt
toller Soundtrack
gelungene UI
gelungene Steuerung mit dem Gamepad
Annopedia
Schlechter
keine Erweiterungen (DLCs) inbegriffen
Auflösung könnte höher sein
Detailgrad bei den Zoomstufen verbesserungswürdig
Texturen laden nach
kein Crossplay
nur 30 FPS
Ladezeiten
keine Unterstützung von Maus und Tastatur
88
Wertung

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