Die Spielserie Disciples hat, genauso wie der damalige direkte Konkurrent Heroes of Might and Magic, seine besten Zeiten längst hinter sich. Somit sind rundenbasierte Strategie-Rollenspiele eine richtige Rarität auf dem Spielemarkt geworden und vergleichbare Kaliber sucht man leider vergebens. Umso mehr freut es mich, dass der Entwickler Frima Studio in Zusammenarbeit mit dem Publisher Kalypso Media, diese Spielreihe wiederbelebt und sogar auf Konsolen bringt. Die Frage die sich uns nun stellt- kann Disciples: Liberation wieder an die früheren Erfolge anknüpfen und im Test überzeugen?
Ein Auftrag der alles verändert
Disciples: Liberation ist ein Dark Fantasy Strategie-Rollenspiel mit rundenbasierten Kämpfen, welches in der Welt von Nevendaar spielt. Wir schlüpfen in die Rolle von Avyanna, einer weiblichen Söldnerin und neuen Protagonistin der Serie, die sich zu Höherem berufen fühlt. Im aktuellen Ableger der Reihe sind keinerlei Vorkenntnisse zur bisherigen Geschichte notwendig, was es Einsteigern besonders leicht macht in Disciples Fuß zu fassen. Unser Abenteuer beginnt ganz schlicht mit einem gut bezahltem Auftragsmord an einem Priester. Während des Kampfes läuft etwas schief und alles deutet auf eine Niederlage hin. Doch bevor wir unser Leben verlieren, öffnet Avyanna unerwartet ein Protal, welches wir selbstverständlich sofort zur Flucht nutzen. Nachdem wir uns wieder gesammelt haben, finden wir uns vor der wunderschönen und komplett verlassenen Stadt Yllian wieder. Da wir für uns, unsere ganzen Begleiter und zukünftige Armee ein neues Zuhause suchen, beschließen wir gleich diesen Ort zu verwenden. Die zentrale Lage unserer Hauptstadt, die zudem schwer auffindbar ist, bietet eine tolle Ausgangsposition bei unserem Vorhaben. Doch bevor unsere Protagonistin Avyanna und ihr erster Begleiter Orion in das Abenteuer aufbrechen, möchte ich ein kleines Gedicht zur Stärkung der Truppe vortragen.
Der andauernde Krieg verzerrt unser geliebtes Nevendaar mehr und mehr,
die kommenden Schlachten, dass kann ich euch sagen, werden schwer.
Lasset uns gemeinsam erfolgreiche Allianzen schmieden,
und glorreich über die anderen Armeen siegen.
Kämpfen wir Seite an Seite wie Brüder auf dem Felde,
sodass man sich überall von einer Wiedervereinigung Nevendaar’s erzähle.
Das altbekannte Spielprinzip
Wer schon einmal Disciples oder ein ähnliches rundenbasiertes Strategie-Rollenspiel gespielt hat, wird schon das grundlegende Spielprinzip von Disciples: Liberation kennen. Auf der Abenteuerkarte erkunde ich die vielen unterschiedlichen Regionen, nehme Ressourcenstätten ein, betrete Dungeons und erfülle zahlreiche Quests. Laut dem Entwickler kann man in der Kampagne insgesamt 270 Quests erledigen, wofür man etwa 80 Stunden benötigen sollte. Haben wir uns im Laufe eines Durchgangs verskillt, müssen wir nicht zwingend ein neues Spiel starten, sondern können jederzeit gegen Bezahlung die Skillpunkte in Yllian neu verteilen. Die Wirtschaftlichkeit ist ein wesentlicher Faktor in Disciples: Liberation. Geld und Rohstoffe werden zum kaufen sowie verbessern von Einheiten und Gebäuden in der Hauptstadt verwendet. Wurde eine Armee auf die Beine gestellt, können wir auf dem Schlachtfeld rundenbasierten Kämpfe austragen. Alle drei Hauptelemente (Abenteuerkarte, Schlachtfeld, Hauptstadt) wurden von den Entwicklern verständlich und übersichtlich gestaltet. Andauernd möchte ich die Karte erkunden, Ressourcen einsammeln, rundenbasierte Kämpfe austragen und Yllian ausbauen. Die Suchtspirale hat mich erneut voll im Griff.
Die Bruchstücke einer Welt in unseren Händen
Die Götter, die in früheren Serienteilen die verschiedenen Völker sprichwörtlich aufeinandergehetzt haben, sind aufeinmal verschwunden. Leider weiß keiner was passiert ist. Wie zu erwarten herrscht zwischen allen Völkern Nevendaars kein Frieden und es werden weiterhin Kriege geführt. Die etlichen Konversationen und Ereignisse der Story werden mithilfe von (teils vertonten) Textbildschirmen erzählt. Alle Entscheidungen die wir während der Kampagne treffen, beeinflussen die Beziehungen zu den Fraktionen und den Ausgang der Geschichte. Fünf unterschiedliche Enden der Story sind möglich. Insgesamt gibt es in Disciples: Liberation vier Fraktionen. Da wäre zum einen das Imperium der Menschen, die untoten Horden, die Legion der Verdammten und letzten Endes die Allianz der Elfen. Die Fraktionen bekommen keine eigene Kampagne spendiert, können aber unter dem Kommando Avyanna’s stehen. Wir müssen nur ein Gleichgewicht zwischen den unterschiedlichen Einheiten finden und die individuellen Stärken sowie Schwächen abwägen. Im Laufe der Story schließen sich uns immer mehr Helden an, welche sich aber kaum nach unseren Wünschen verändern lassen. Einzig das Zauberbuch und die immer größer werdende Sammlung an Zaubersprüchen, bietet eine Art der spürbaren Progression. Eine große Neuerung ist die Möglichkeit, Einheiten in der hinteren Reihe des Schlachtfeldes zu platzieren und die passiven Effekte zu nutzen. Diese Charaktere nehmen somit keinen direkten Einfluss, können aber unsere Kämpfer unterstützen.
Der Verlauf eines jeden rundenbasierten Kampfes wird auf einer übersichtlichen Leiste am oberen Bildschirmrand für uns visualisiert. Kampffertigkeiten einer jeden Einheit und unser taktisches Vorgehen können die Reihenfolge jederzeit verändern. Ein wichtiger Punkt- jede Einheiten kann pro Runde eine gewisse Anzahl an Aktionen ausführen. Die unterschiedlich gefärbten Aktionspunkte über jeder Einheit zeigen uns an, wie viel diese pro Zug noch machen kann. Da das Schlachtfeld in seiner Größe begrenzt ist, dürfen wir nur, abhängig Avyannas Rang, eine bestimmte Anzahl an kampflustigen Untertanen mitnehmen. Je höher die Stufe der Einheit, umso mehr „Aufmerksamkeit“ wird von uns beansprucht. Durch diese kleine aber sinnvolle Begrenzung, wird von den Entwicklern das Kräftegleichgewicht gewahrt. Fällt eine Einheit und wird bis zum Ende des Gefechts nicht rechtzeitig vom Friedhof wiederbelebt, ist sie für immer verloren (abhängig der Fraktion). Der Schwierigkeitsgrad kann nicht ausgewählt werden, da die unterschiedlichen Regionen selbst eine vorgegebene Schwierigkeit besitzen (leicht, normal und schwer). Die Kämpfe machen Spaß und die seltenen Bosse sind definitv ein Highlight. Leider folgt ein Kampf dem anderen und dies könnte vielen Spielern sehr schnell zu repetitiv werden.
Nevendaar erstrahlt in neuem Glanz
Dank einer aktuellen Engine erstrahlt Disciples: Liberation in noch nie dagewesenem Glanz. Die Grafikqualität kann sich definitiv sehen lassen und muss sich nicht hinter anderen ähnlichen Spielen verstecken. Leider macht die Welt keinen besonders lebendigen Eindruck. Hier und da ein paar Tiere am Waldesrand, ein Vogelschwarm der über unser Route fliegt und fleißige Arbeiter bei den Förderstätten, würden schon eine lebendigere Atmosphäre auf den Bildschirm zaubern. Nichtsdestotrotz sind für mich die etlichen Karten mit ihren unterschiedlichen Klimazonen und Vegetationen das Highlight in Disciples: Liberation. Die düstere und finstere Optik trifft sehr gut das gewählte Dark-Fantasy-Setting der Entwickler. Das Spiel läuft auf der Xbox Series X stets flüssig, die Steuerung mit dem Controller ist präzise und der hervorragende Soundtrack untermalt gekonnt jedes Geschehen auf dem Bildschirm. An dieser Stelle muss ich noch ein Lob an die Synchronsprecher aussprechen, da diese eine tolle Arbeit geleistet haben. Die Ladezeiten liegen auf der getesteten Plattform bei sehr kurzen und kaum erwähnenswerten 4-5 Sekunden. Ein weiteres Highlight sind die zahlreichen Effekte der rundenbasierten Kämpfe. Es ist zwar kein gravierender Bug, aber einmal bin ich an einer Stelle der Abenteuerkarte hängen geblieben.